Zum Stellenwert und Kulturgeschichte der ästhetischen Zahnheilkunde

Ästhetik bezeichnet die Wahrnehmung des Schönen. Dabei ist das Streben des Menschen nach Schönheit wohl so alt wie die Menschheit selbst.

 

Ästhetische und konventionelle Zahnheilkunde

Hingegen ist die Ästhetische Zahnmedizin innerhalb der heutigen Zahnheilkunde eine verhältnismäßig junge Disziplin. Jedenfalls ist Zahnästhetik weder offizieller oder eigenständiger Lehrinhalt des Zahnmedizinstudiums noch Prüfungsfach im Staatsexamen. Dabei beeinflussen zahnärztliche Eingriffe regelmäßig das Aussehen von Patienten. Zahnheilkunde beinhaltet also Zahnästhetik. Die Abgrenzung der ästhetischen Zahnheilkunde zu den konventionellen Sparten der Zahnmedizin ist jedoch unscharf: ihre Einordnung in die althergebrachten Teilgebiete der Zahnmedizin führt zu keiner nachvollziehbaren Systematik. Denn Zahnästhetik betrifft alle Bereiche der Zahnheilkunde. Erhellend ist allenfalls die Aufgliederung der Ausübung der Zahnheilkunde nach Umfang, Art und Güte. Diese Betrachtungsweise führt zu der Feststellung, dass die ästhetische Zahnheilkunde mit ihrem bewussten Herbeiführen guten Aussehens diesbezüglich bessere Resultate, also eine höhere Güte, anstrebt als die althergebrachte konventionelle Zahnmedizin. In deren Selbstverständnis ist Aussehen ein lediglich untergeordnetes Nebenprodukt, das sich ergeben kann aber kein definiertes Behandlungsziel ist. So wird dort etwa eine dunkel graue Füllung aus Amalgam als hinreichender Heilerfolg gewertet.         

 

Zur Kulturgeschichte ästhetischer Zahnheilkunde

Dieser heutige Stand der Dinge lässt vollkommen außer Acht, dass die Zahnheilkunde als berufsmäßige Behandlung von Krankheiten von ihrem Ursprung her ästhetisch begründet zu sein scheint. Das besagen jedenfalls Schädelfunde aus der Antike, bei denen ausgefallene Zähne mittels eines kunstvollen Geflechtes aus Golddraht am benachbarten Zahnbestand verbunden sind. Über die Verwunderung über das zutreffende Wissen um die Körperverträglichkeit von Materialien und über die Kunstfertigkeit der Herstellung hinaus ist Folgendes bemerkenswert: Die zu fixierenden Zähne sind nicht annähernd dort verankert, wo Kaukräfte einwirken, an den Schneidekanten, sondern davon entfernt, an den Zahnhälsen. Diese wackelige Konstruktion ließ ein normales Abbeißen nicht zu, weswegen ein ästhetisches Motiv für derartige Eingriffe anzunehmen und wahrscheinlich ist.    

 

Die Zahnheilkunde der Neuzeit steht nicht in der Tradition der Antike. Das Mittelalter legte seinen dunklen Mantel des Vergessens über so viele Erkenntnisse der Antike und auch die Zahnheilkunde war gezwungen, sich neu zu erfinden. Diese Orientierungslosigkeit der Moderne mag erklären, weswegen teilweise auch heutzutage noch zahnästhetische Eingriffe als medizinisch nicht notwendig angesehen werden. Wie nachfolgend dargelegt wird ist eine solche pauschale Einordnung falsch:

 

Zur medizinischen Notwendigkeit zahnästhetischer Behandlungen

Das Zahnheilkundegesetz enthält eine Legaldefinition des Krankheitsbegriffes, also eine gesetzliche Festlegung dessen, was als krank zu werten ist. Es stuft „alle Abweichungen von der Norm“ als Krankheit ein. Daraus folgt unter anderem, dass Zahnrestaurationen, die erkennbar vom natürlichen Befinden abweichen, etwa Amalgamfüllungen, als Krankheit zu gelten haben. Vor diesem Hintergrund sind also Heilmaßnahmen der ästhetischen Zahnheilkunde, die geeignet sind diesen Abweichungen von der Norm abzuhelfen, als medizinisch notwendig anzusehen. Denn die fortgesetzte Rechtsprechung sieht zahnärztliche Leistungen dann als medizinisch notwendig an, wenn diese geeignet sind, eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, zu lindern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten. Genau das trifft für biomimetische Zahnrestaurationen zu. Für Vorhaltungen von Versicherungen, wonach solche besonders gute und echt aussehende Wiederherstellungen von Zähnen angeblich medizinisch nicht notwendig sein sollen, bleibt aus sachverständiger Sicht kein Raum.